Anrührende, stimmungsvolle Klangbotschaften

15.06.2021

Eröffnungskonzert des „Musikalischen Sommers“ in der Lienzinger Frauenkirche. (Pforzheimer Zeitung)

Wunderschöner Auftakt in der Frauenkirche mit dem Programm „Faszination – Marimbaphon!“, interpretiert von Katarzyna Myćka und Conrado Moya.  Foto: Tilo Keller  
Wunderschöner Auftakt in der Frauenkirche mit dem Programm „Faszination – Marimbaphon!“, interpretiert von Katarzyna Myćka und Conrado Moya. Foto: Tilo Keller

Mühlacker-Lienzingen. Musik-Puristen mögen skeptisch reagieren, wenn Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“ (BWV 988) von einem Marimbaphon-Duo interpretiert werden. Auch könnten sich Bedenkenträger an den intensiven Halleffekten in der Lienzinger Frauenkirche bei der Wiedergabe dieser intimen, für Klavier geschriebenen 30 Variationen stören.
Doch es wurde mit eben diesem berühmten Meisterwerk, an zwei Marimbaphons von der polnischen Musikprofessorin Katarzyna Myćka und ihrem Meisterschüler Conrado Moya aus Spanien ausgeführt, ein wunderschönes Eröffnungskonzert zum „Musikalischen Sommer“ in Lienzingen.
Wehmütiger Tonfall herrschte vor, zauberte bei mehreren Zuhörerinnen einen lächelnden Glanz auf die Gesichter und hellte die mürrischen Mienen einiger Herren freundlich auf. „Bonjour mélancolie“: Da meldeten sich nach entsagungsvollen Corona-Zeiten die Musen mit sehnsüchtig erwarteten, stimmungsvollen Klangbotschaften zurück.

Die oft erzählte Entstehungsgeschichte der Goldbergvariationen ist legendenhaft schön: Der kränkelnde Dresdener Graf Kayserling ließ sich bei Schlaflosigkeit die Zeit mit Musikvorspiel vertreiben und bestellte sich zu diesem Zweck für seinen Cembalisten Theophil Goldberg bei Bach „einige Clavierstücke zur Gemüths-Ergetzung“.

Myćka und Moya verwandelten den Variationen-Zyklus in anrührende Klänge aus Glocken und Samt. Mit je zwei Schlegeln in jeder Hand klöppelten die beiden Marimba-Virtuosen auf die Holzplättchen ihrer Resonanz-Instrumente mehrstimmig-filigrane Triller-Girlanden oder an- und abschwellende Klangwellen. Mit unglaublich flinker Handarbeit entfalteten die Künstler das faszinierend vielstimmige Laufwerk, Haltetöne und sanfte Melodiebögen. Dabei modellierten sie die Linien durchaus auch eigenwillig, mal mit rasant wirbelnder Schlagfrequenz, mal den weit schwingenden Nachhall auskostend. Neben den draufgängerisch-wirkungsmächtigen waren bezaubernd weiche, ganz leise und breit ausgezogene Passagen zu hören. Nicht die knallige Schlaghärte war Trumpf, sondern das warm leuchtende Ineinanderschwingen sensibel zarter Klangnuancen und dynamischer Kontraste.
Eingeführt hatten sich die Marimba-Virtuosen mit den 2006 entstandenen „Departures“ von Emmanuel Séjourné – musikalische Höhenflüge aus klanglichen Tiefen. Auch ein Tango von Astor Piazzolla stand auf dem Programm des ersten Konzertabschnitts sowie das 2001 original für Marimbaphons komponierte Stück „Valse Valse“ von Daniel Nicholas Wirtz.
Der am Sonntag als Matinee und als Nachmittagsveranstaltung gebotene Percussions-Hochleistungs-Marathon löste bei den (pandemisch bedingt) jeweils nur 90 „zugelassenen“ Konzertbesuchern große Freude aus.

(Pforzheimer Zeitung vom 15.06.2021,  Text: Eckehard Uhlig, Foto: Tilo Keller)