Publikum feiert die Musikerinnen mit tosendem Applaus

26.07.2024

Lotus String Quartet setzt in der Lienzinger Frauenkirche vor der Sommerpause einen kaum zu überbietenden Glanzpunkt. (Vaihinger Kreiszeitung)

Das Lotus String Quartet (von links): Sachiko Kobayashi (Erste Violine), Swantje Asche-Tauscher (Zweite Violine), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Violoncello). Foto: Filitz 
Das Lotus String Quartet (von links): Sachiko Kobayashi (Erste Violine), Swantje Asche-Tauscher (Zweite Violine), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Violoncello). Foto: Filitz

LIENZINGEN (efi). Ab Juni brachte die Konzertreihe „Musikalischer Sommer" die Frauenkirche in Lienzingen zum Blühen und beglückte bis jetzt mit vier der insgesamt sechs geplanten sonntäglichen Matinéen Hunderte Musikfreunde.

Schon das historische Ambiente verspricht ein besonderes Konzerterlebnis. Mit dem vierten und letzten Konzert vor der Sommerpause setzte das 1992 in Tokyo gegründete und seit vielen Jahren in Stuttgart ansässige Lotus String Quartet mit seiner außergewöhnlichen Spielkultur einen kaum zu überbietenden Glanzpunkt. Es ist schon erstaunlich, dass so viele Künstler mit internationalem Renommee und gewohnt, weltweit auf berühmtem Bühnen zu gastieren, auch in der kleinen Frauenkirche auftreten. Ein Paradebeispiel ist das Lotus String Quartet, 2001 zum ersten Mal in Lienzingen zu hören und seit 2008 regelmaßig zu Gast beim Musikalischen Sommer. „Schon fast eine Institution, ihre beinahe unglaubliche Treue kann ich kaum in Worte fassen, ich schätze die Musikerinnen sehr", sagte Peter Wallinger im Gespräch mit dieser Zeitung. Alle Positionen im Ensemble sind weiblich besetzt - ein Phänomen in der internationalen Quartettszene. Ein Stipendium ermöglichte ihnen die Teilnahme an Meisterkursen des Amadeus- und des Melos-Quartetts. Bei Letzterem studierten sie ab 1995. Dessen Cellist Peter Buck, auch Professor an der Stuttgarter Hochschule für Musik, wurde ihr Mentor und begleitete sie zu den Lienzinger Konzerten. Neben Sachiko Kobayashi (Erste Violine), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Violoncello) spielt seit 2022 die erste Konzertmeisterin des Philharmonischen Orchesters Freiburg Swantje Asche-Tauscher im Lotus die Zweite Violine. Deutsche und japanische Musikkultur verquicken sich.

Furios, mit spürbarer Hingabe und Leidenschaft spielten sie auf, als müssten sie sich die Welt erst noch erobern. Zum Auftakt erklang das Streichquartett C-Dur , KV 465 von Wolfgang Amadeus Mozart. Aber merkwürdig - fremd und bizarr hörten sich die ersten Takte an. Hatten die Musikerinnen danebengegriffen, den Bogen auf die verkehrten Saiten gesetzt? Mitnichten, denn dieses Werk trägt zu Recht den Beinamen „Dissonanzen-Quartett". Aufzeichnungen zufolge waren diese sich reibenden Tone, die der Komponist bewusst so notiert hat, seinen Zeitgenossen übel aufgestoßen. Heute dagegen gilt das Dissonanzen-Quartett als „einer der steilsten Gipfel europäischer Kammermusik", ist in der Literatur nachzulesen. Das Lotus Quartett stürmte los, bezwang alle Gipfel, folgte Mozarts Intentionen und löste alle Missklänge in wohlklingende Harmonien auf. Wie liebkosend glitten die Bögen über die Saiten.

Mit gleicher Souveränität und Leidenschaft interpretierten sie das Quartett G-Dur, op. 18,2 - ein vorwärtsstürmendes Jugendwerk von Ludwig van Beethoven (1770 bis 1857), in das er neue, ihn prägende Stilelemente einführte und sich damit von seinen Vorbildern Haydn und Mozart löste. In romantische Gefilde entführten die Künstlerinnen ihr oft andächtig lauschendes Publikum mit Robert Schumanns ((1810-1856) Quartett A-Dur op. 41,3, das an diesem Sonntag zum allerersten Mal in der Frauenkirche zu hören war.

Auch bei diesem Opus war wieder perfekte Technik gefordert. Doch nur, wenn es den Interpreten gelingt, mit jedem Bogenstrich zugleich die ganze Skala ihrer empfundenen Emotionen überzeugend umzusetzen und hörbar zu machen, wird aus einem Notenblatt ein lebendiges Kunstwerk, das die Zuhörer erreicht und ebenfalls Empfindungen weckt. Dem Lotus Quartett gelang dies meisterhaft.

Oft tief berührt lauschte das Publikum dem facettenreichen Spiel des Lotus Quartetts und dankte mit Jubelrufen und stürmischem Applaus. Dennoch war dieser erfolg-gekrönte Tag zugleich ein trauriger für die Künstlerinnen. „Der Tod unseres Mentors Peter Buck erfüllt uns mit Trauer. Dieses Konzert haben wir ihm gewidmet", hatte Saito vor Beginn mitgeteilt.

(Vaihinger Kreiszeitung vom 26.07.2024, Text und Foto: Eva Filitz)