11.06.2024
Seit 25 Jahren zählt das Alliage Quintett zu den treuesten und be liebsten Gästen des „Musikalischen Sommers“ in der Lienzinger Frauenkirche. Deshalb ist „À la recherche du temps perdu“, der nach Marcel Prousts berühmtem Romanzyklus gewählte Programmtitel des Eröffnungskonzerts mit dem renommierten Saxofon-Ensemble, eine angemessene Reminiszenz. Alle Programm-Nummern waren zumindest schon einmal in Peter Wallingers Mühlacker Konzertreihe mit (fast) denselben Interpreten zu hören. Und sie sorgten bei den Zuhörern immer für Freude, deren Wiederholung man sich wünschte. Nun war es soweit: Erinnerte musikalische Glücksmomente wurden gesucht und gefunden. Die von der exzellenten Pianistin Jang Eun Bae begleiteten Saxofonisten Daniel Gauthier (Sopran), Miguel Valles Mateu (Alt), Simon Hanrath (Tenor) und Sebastian Pottmeier (Bariton) sind auch deshalb erfolgreich, weil sie es in ihren Arrangements verstehen, klassische Orchester-Kompositionen in anspruchsvolle Unterhaltungsmusik zu verwandeln und die orchestrale Wucht schier mühelos mit ihrem fülligen Bläsersound ersetzen.
Rauschende Klangpracht
Felix Mendelssohns Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“ (op. 61) interpretierten die Saxofonisten mit einer rauschenden Klangpracht, wie man sie selten erlebt. Die häufig gespielte Ouvertüre leitete zur berühmten „Elfenmusik“ über, deren vom Klavier quirlig nachgezeichnete, rasant flatternde Achtel-Ketten die tanzenden Elfen als Märchentraum vergegenwärtigten. Einen Kontrast dazu bildete abschließend der „Rüpeltanz“ mit derb-drastischen Ausrufezeichen. Aufgelockert wurde die Suitenfolge mit gesprochenen Textzitaten aus dem komödiantischen Shakespeare-Stück. Äußerst effektvoll, farbintensiv und mitreißend auch die – auf hundert Nächte reduzierte – Wiedergabe der „Scheherazade“, einer sinfonischen Suite von Nikolai Rimski-Korsakow nach Erzählungen aus „Tausendundeiner Nacht“. Beim Thema des Sultans trumpften die tiefen Sax-Stimmen auf, lieblich und zart dagegen das hohe Geflirre des Scheherazade-Motivs. Auch das orientalisch-exotische Kolorit war herauszuhören, woran der Klavierpart seinen Anteil hatte.
Leonard Bernsteins Operette „Candide“ war ein Flop. Die Ouvertüre dazu wurde dennoch sehr populär und in der Fassung des Alliage Quintetts eine temperamentvolle, ja feurig aufleuchtende Theatermusik. Die am Applaus-Pegel gemessene Begeisterung des Publikums steigerte sich noch bei der Wiedergabe der Sätze „Venus“ und „Jupiter“ aus der sinfonischen Suite „Die Planeten“ des englischen Komponisten Gustav Holst. Und erreichte ihren Höhepunkt mit der Rhapsodie über George Bizets Oper „Carmen“, deren temperamentvolle Stretta-Rasanz für Bläser und Pianistin eine glänzend gemeisterte virtuose Herausforderung darstellte.
Die beiden letzten Werke wurden in der Nachschöpfung des japanischen Komponisten Jun Nagao geboten, der sich als Spezialist für Saxofon-Arrangements einen Namen gemacht hat. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Saxofon und klassische Werke als Alliage-„Legierung“ in Lienzingen wie ein wunderschöner Sommer-Matinee-Traum präsentieren konnten.
(Pforzheimer Zeitung vom 11.06.2024, Text: Eckehard Uhlig, Foto: Volker Henkel)