18.09.2024
Mühlacker-Lienzingen. Die Mitglieder des renommierten Freiburger Barockorchesters (FBO) beschließen die Spielzeit 2024 in der gotischen Frauenkirche. Auf dem Programmzettel finden sich zwei kammermusikalische Schwergewichte des großen tschechischen Meisters Antonín Dvořák – das Streichquintett G-Dur opus 77 und das Klavierquintett Nummer 2 A-Dur opus 81. Dazwischen erklingen, mit dem vielfach prämierten Pianisten Wataru Hisasue am Flügel, die „Valses nobles et sentimentales“ des französischen Impressionisten Maurice Ravel. Es wird für die zahlreichen Besucherinnen und Besucher, darunter viele „Stammhörer“, ein besonders reizvolles und zugleich sehr anspruchsvolles Konzert.
Kammermusik ist für die Mitwirkenden immer schwer. Es gibt keinen Dirigenten, und deshalb müssen die Musikerinnen und Musiker gemeinsam atmen, einander besonders gut zuhören und blitzschnell reagieren. Kammermusik verzeiht keine Nachlässigkeiten, sie ist immer hochtransparent und legt jeden noch so kleinen Fehler offen.
Alle Künstlerinnen und Künstler, die zu hören sind, verfügen über eine weit arrivierte Technik, über viel Feingespür und Routine. Nicht umsonst spielen Anne Katharina Schreiber und Lotta Suvanto (Violinen), Yuko Hara (Viola), Philine Lembeck (Violoncello) und Mariona Mateu Carles (Kontrabass) in einem der erfolgreichsten Kammerorchester Deutschlands, dem FBO. Die Verpflichtung des äußerst vielversprechenden Klaviertalentes Wataru Hisasue erweist sich als ausgesprochener Glücksgriff. Dass er den begehrten Internationalen ARD-Musikwettbewerb München gewonnen und damit sozusagen eine Eintrittskarte für die großen Konzertpodien der Welt erworben hat, versteht man bei seiner hinreißenden Wiedergabe von Ravels „Valses nobles et sentimentales“ nur zu gut. Auch bei Dvořáks Klavierquintett A-Dur hat der gebürtige Japaner eine glückliche Stunde.
Kontrabass bringt ungewohnt dunkle Farben.
Das Konzert beginnt mit dem Streichquartett opus 77 von Antonín Dvořák, der sich selbst als bodenständigen „böhmischen Musikanten und Bauern“ gesehen hat. In diesem viersätzigen Opus hat Dvořák die klassische Quartettbesetzung um den Kontrabass erweitert und so eine ungewohnt dunkle Farbe ins Spiel gebracht. Die temperamentvolle Klangsprache prägt das ganze Stück und ist typisch für den unverwechselbaren Personalstil des Komponisten.
Vereinfacht darf man vielleicht sagen, dass Dvořák immer etwas volkstümlich, gesanglich und tänzerisch klingt. Bei den „Slawischen Tänzen“ wird dies besonders ohrenfällig. Den Mitwirkenden gelingt eine glänzende, vielleicht sogar fast „zu schöne“ Wiedergabe, die den burlesken Dvořák-Ton möglicherweise nicht immer zu 100 Prozent trifft. Doch dies wäre ein beckmesserisches Urteil, dem nicht allzu große Bedeutung beigemessen werden sollte.
Auf einer Wolke der Glückseligkeit schwebt das Publikum bei der Aufführung des Klavierquintettes A-Dur opus 81. Es ist nicht nur eines der gelungensten Klavierquintette der gesamten Literatur, das an Einfallsreichtum und Originalität allerhöchstens von Robert Schumanns Klavierquintett Es-Dur opus 44 übertroffen wird. Die historischen, mit Darmsaiten bespannten Streichinstrumente klingen hier besonders silbern, feinstofflich und obertonreich.
Der Applaus will nicht enden. Das Konzert des Ensembles, das sich den eigenwilligen Namen „Edelstoff“ gegeben hat, ist zugleich ein Gedächtniskonzert für den 2023 verstorbenen Kunstmäzen und -förderer Peter W. Klein, der den „Musikalischen Sommer“ in Lienzingen über viele Jahre großzügig unterstützt hat.
(Mühlacker Tagblatt vom 18.09.2024, Text und Foto: Dr. Dietmar Bastian)