Ein aufregendes Wechselbad der Gefühle

20.09.2023

Abschluss des „Musikalischen Sommer“: Das „Trio Vivente“ glänzt beim Konzert in der Frauenkirche Lienzingen. (Mühlacker Tagblatt)

Mühlacker-Lienzingen. Mit einer Komposition von Joseph Haydn begann das diesjährige Abschlusskonzert des „Musikalischen Sommer“ in der Frauenkirche in Lienzingen. Mit einer anderen Komposition des Österreichers als Zugabe endete es. Dazwischen hörte man Werke von Rebecca Clarke und Ludwig van Beethoven, gespielt vom „Trio Vivente“.

Gegründet 1992, erhielt das Frauen-Ensemble bereits vier Jahre später beim ersten Internationalen Joseph-Joachim-Kammermusikwettbewerb an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar den zweiten Preis. Das Trio gastiert regelmäßig in Deutschland, hatte Produktionen bei mehreren Rundfunkanstalten. Konzertreisen führten es in die Benelux-Länder, nach Großbritannien und Norwegen. Sein Repertoire umfasst klassische und romantische Musik, aber auch zeitgenössische Kompositionen. 2019 erarbeitete es, zusammen mit Elke Heidenreich, ein Programm zum 200. Geburtstag von Robert und Clara Schumann, das auch als Hörbuch unter dem Titel „Lebensmelodien“ erschienen ist.

Mitglieder des „Trio Vivente“ sind Julia Ernst, Anne Katharina Schreiber und Kristin von der Goltz. Die Pianistin Jutta Ernst studierte bei Kirsti Hjort – der Mutter von Kristin von der Goltz – und Arne Torger in Würzburg sowie bei Christoph Lieske in Winterthur und Bernd Glemser in Saarbrücken, wo sie seit 2000 einen Lehrauftrag an der Musikhochschule des Saarlandes hat. Die Geigerin Anne Katharina Schreiber studierte bei Rainer Kussmaul in Freiburg. Seit 1988 ist sie Mitglied des Freiburger Barockorchesters, inzwischen als Konzertmeisterin, in dieser Funktion auch häufig in Philippe Herreweghes Collegium Vocale Gent. Seit 2007 unterrichtet sie an der Hochschule für Musik Freiburg. Kristin von der Goltz, die Violoncellistin des Trios, studierte bei Christoph Henkel in Freiburg und bei William Pleeth in London. Wie Anne Katharina Schreiber war sie lange Jahre im Freiburger Barockensemble tätig, aber auch bei den Berliner Barock Solisten. Inzwischen hat sie eine Professur für Barockcello an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main.

Zum Auftakt erklang das Klaviertrio Nummer 41 es-Moll Hob. XV 31 von Joseph Haydn. Entstanden 1795, wurde das rund zwölfminütige, zweisätzige Werk erst 1803 in Wien gedruckt. Als Violinsonate sandte es der Komponist später, auf Wunsch des Fürsten Eszterházy, an die Frau des Generals Moreau nach Paris. Es beginnt mit einem ernsten Variationensatz, dem ein spielfreudiger zweiter folgt, „der Züge eines Sonatensatzes und eines Rondos hat, ohne wirklich das eine oder andere zu sein“.

Vor der Pause brachte das „Trio Vivente“ ein bei uns kaum gespieltes Werk einer wenig bekannten britischen Komponistin und Bratschistin amerikanisch-deutscher Herkunft zu Gehör, die eine der wichtigsten Komponistinnen ihres Landes zwischen den zwei Weltkriegen war. Geboren 1886 im englischen Harrow als Tochter eines US-Amerikaners und einer Deutschen, gestorben 1979 in New York City, studierte Rebecca Clarke in London. Mit ihrem jetzt in Lienzingen aufgeführten „Trio (1921)“ errang sie noch im selben Jahr den zweiten Preis des „Coolidge International Prize“.

Ihr Werk ist durch spätimpressionistische Harmonik gekennzeichnet. Es lassen sich aber auch Einflüsse englischer Volksmusik und fernöstlicher Musik nachweisen. Emotional ist ihr Ausdruck, komplex ihr Rhythmus. Sozusagen mit einem Paukenschlag, wenn auch ohne Pauke, beginnt ihr „Trio“ mit einer Spieldauer von 23 Minuten. Expressiv und kontrastreich ist das gesamte Werk, das zwischen laut und leise wechselt, das aufwühlt und wieder beruhigt, das zuweilen geradezu wild anmutet, dann aber auch wieder verhalten daherkommt. Das Ganze ist sozusagen ein aufregendes Wechselbad der Gefühle, das zu erleben grandios war, zumal mit so meisterhaft exzellenten Interpretinnen – was im Übrigen auch für die anderen Werke gilt.

Mit einer Spielzeit von knapp einer halben Stunde war das Klaviertrio Es-Dur opus 70 Nummer 2 das längste Stück der Matinee. Ebenso wie das Klaviertrio D-Dur opus 70 Nummer 1, beide aus dem Jahr 1808, hat Ludwig van Beethoven auch diese Arbeit Gräfin Marie von Erdödy gewidmet. Im Gegensatz zu dem, weshalb auch immer, als „Geistertrio“ bekannten D-Dur-Trio ist das Es-Dur-Trio leichtgewichtiger, aber nicht anspruchsloser. Das zeigt sich besonders im Finale, das „reinste gutgelaunte Unterhaltungsmusik voller zahlreicher Einfälle“ ist.

Das ganze Schlusskonzert des „Musikalischen Sommer“ in der Frauenkirche Lienzingen war hörenswert und machte Appetit auf die Konzerte an gleicher Stelle im kommenden Jahr.

(Mühlacker Tagblatt online vom 20.09.2023, Text: Dieter Schnabel)