Goldberg-Variationen erfreuen Publikum

28.07.2022

Abschlusskonzert der LIENZINGENAkademie 2022: Johann Sebastian Bachs musikalische Botschaft in der Frauenkirche Lienzingen aufgeführt. Werk passt in eine unruhig-friedlose Zeit. Simon Wallinger (Cembalo) hat fünf meisterhafte Solisten um sich versammelt. (Mühlacker Tagblatt)

LIENZINGENAkademie (Foto: privat)
LIENZINGENAkademie (Foto: privat)

Mühlacker-Lienzingen. Im fünften Jahr haben sich junge Musiker in der „LIENZINGENAkademie“ zum Austausch mit und über Musik getroffen. Das Abschlusskonzert „Podium junger Künstler“ bestritt das Ensemble der Akademie 2022 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Musikalischer Sommer“ in der Frauenkirche Lienzingen. Auf dem Programm standen Johann Sebastian Bachs „Goldberg-Variationen“ BWV 988.

Veröffentlicht wurde die „Aria mit verschiedenen Veränderungen“ 1742 als 4. Teil der „Klavierübungen“. Um die Entstehungsgeschichte dieses Zyklus von 30 Variationen rankt sich eine Legende, die auf eine wahre oder erfundene Anekdote aus Nikolaus Forkels Biografie „Über Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke“ von 1802 zurückgeht. Danach soll der russische Gesandte am Dresdner Hof, der mit der Familie Bach befreundete, kränkelnde Graf Hermann Carl von Keyserlingk, bei Bach „einige Clavierstücke sanften und etwas munteren Charakters“ bestellt haben, die ihm sein erst 13-jähriger Cembalist Johann Theophilus Goldberg vorspielen sollte.

Die Aria hat den Charakter einer Sarabande. Dabei dient jedoch nicht die Melodie als Vorlage zum Variieren, sondern „der langsam schreitende Bass mit den ihm zugehörigen Harmonien, so dass wir hier im Grunde eine Chaconne vor uns haben“. So konnte denn der Komponist alle künstlerischen Möglichkeiten nebeneinander in relativer Freiheit durchspielen. Nicht von ungefähr meint man bei der „LIENZINGENAkademie“: „Freiheit und Gesetz in sich selbst in Einklang zu bringen, das mag eine urmenschliche Aufgabe sein, die durch die ,Goldberg-Variationen‘ hindurch vernehmbar wird als eine Botschaft der Versöhnung und des Friedens“. Und so passt denn das Werk, mit dieser musikalischen Botschaft, besonders gut in unsere politisch problembeladene, unruhig-friedlose Zeit.

Die Variationen reiht Johann Sebastian Bach regelmäßig nach einem übergeordneten Prinzip abwechslungsreich aneinander, wobei jede dritte ein Kanon ist, die jeweils zweistimmig über einem freien Basskontrapunkt angelegt sind. So liefert das gemeinsame Bassthema den inneren Zusammenhang. Nach der 15. Variation, nach der es in Lienzingen eine „kurze Verschnaufpause“ gab, wird eine deutliche Zweiteilung vollzogen. Denn ihr folgt eine Französische Ouvertüre, sozusagen ein Neuanfang. Die 30. Variation, in der zwei Volksliedmelodien dem Chaconne-Bass kunstvoll hinzugefügt werden, trägt die Bezeichnung „Quodlibet“. Zum Schluss stellt die „Aria da Capo e Fine“ die abrundende Beziehung zum Anfang her.

Simon Wallinger, der an der Musikhochschule München Klavier und Kontrabass studiert und ein weiterführendes Studium der historischen Aufführungspraxis mit Hauptfach Cembalo absolviert hat, spielte in diesem Konzert exzellent Cembalo, hatte fünf junge, meisterhafte Solisten um sich versammelt und dazu die umsichtige Leitung der Darbietung.

Ausführende waren der Italiener Lorenzo Gabriele (Traversflöte), der in seiner Heimat und an der Frankfurter Musikhochschule studierte und danach mit bekannten Barockorchestern musiziert hat, seine Landsfrau Rebecca Raimondi (Barockvioline), die ebenfalls an der Frankfurter Musikhochschule studierte, dort inzwischen einen Lehrauftrag hat und ebenfalls mit renommierten Orchestern auftritt, der in Paris lebende Arthur Cambreling (Viola da Gamba), der in Paris, Berlin und Frankfurt studiert hat und mit dem Freiburger Barockorchester konzertiert, die Spanierin Mariona Mateu Carles (G-Violine), die nach dem Studium in Barcelona, München und Frankfurt seit 2018 Solokontrabassistin in der Basel Sinfonietta ist, sowie Gitarrist Leon Jänicke, der in diesem Fall das im 17. Jahrhundert aufgekommene Lauteninstrument Theorbe spielte.

Das Ganze war ein international besetztes, hochkarätiges Ensemble, an dem nicht nur die Besucher ihre Freude hatten, sondern auch ein Vogel, der sich in die Frauenkirche verirrt hatte, im Chor herumflog, den Ausgang nicht fand, aber immer während des Vortrags seinen Irrflug einstellte.

(Mühlacker Tagblatt vom 28.07.2022, Text: Dieter Schnabel)