Cembalo entfaltet den „alten Glanz“ der Werke von Bach

27.07.2021

Musikalischer Sommer in der Frauenkirche: ein delikater musikalischer Streifzug mit der Münchner Künstlerin Professor Christine Schornsheim. (Mühlacker Tagblatt)

Meisterin ihres Fachs: Cembalistin Christine Schornsheim.  Foto: Fotomoment 
Meisterin ihres Fachs: Cembalistin Christine Schornsheim. Foto: Fotomoment

 Mühlacker-Lienzingen. Warum wird historische Klaviermusik durchaus noch oder wieder auf dem Cembalo gespielt, wo es heute doch perfekte Konzertflügel gibt? Die Zuhörerinnen und Zuhörer der Konzert-Matinée am vergangenen Sonntag in der Frauenkirche in Lienzingen kannten nach einem knapp zweistündigen Konzert, das ausschließlich Werke aus dem überreichen Klavierschaffen Bachs beinhaltet hatte, die Antwort: erstens, weil der berühmte Thomaskantor seine zahlreichen Klavierwerke auf dem Cembalo und für das Cembalo komponiert hat; zweitens, weil die Musik des Barockmeisters auf den Vorgängern der modernen Klaviere faszinierend anders, farbiger und vielleicht auch authentischer klingt. Und drittens, weil das Bewusstsein für eine historisch informierte Aufführungspraxis seit einigen Jahren deutlich gewachsen ist und dem Cembalo eine Renaissance beschert hat.

Während es Legionen von Pianisten gibt, die Bach auf dem Flügel spielen, sind Interpreten auf dem Cembalo eher rar. Eine beeindruckende Persönlichkeit in der Szene der Alten Musik ist die Cembalistin Professor Christine Schornsheim. Sie zählt zu den international anerkannten Spezialisten in dieser Sparte und ist als Solistin an Cembalo und Hammerklavier ebenso gefragt wie als musikalische Partnerin bekannter Größen wie Hille Perl, Kristin von der Goltz, Andreas Staier und vielen anderen. Sowohl in Leipzig als auch in Kopenhagen, in Tokio und seit 2002 in München hat sie als Professorin ganze Heerscharen von Studentinnen und Studenten unterrichtet. Gastprofessuren, Meisterkurse, internationale Jury-Tätigkeiten und zahlreiche, oft mit den begehrtesten Preisen bedachte Einspielungen vervollständigen das musikalische Lebenswerk der geborenen Berlinerin.

Beim „Musikalischen Sommer“ hatte sie ihr Programm „Mein Leben mit Johann Sebastian Bach. Cembalowerke aus verschiedenen Schaffensperioden“ im Gepäck. Auf einem wunderhübschen, mit Vogelmotiven reich verzierten zweimanualigen Cembalo, einem Nachbau von Alan Gotto Norwich aus dem Jahr 2013, spielte Schornsheim zunächst frühe Cembalowerke aus Bachs Weimarer und Köthener Zeit: Die virtuose Toccata c-Moll BWV 911, zwei zweistimmige Inventionen und ein Duetto aus dem 3. Teil seiner Klavierübung, das sind kleine polyphone Stückchen, die Bach für den Klavierunterricht seiner Kinder verfasst hat. Weiter die prächtige Französische Suite G-Dur BWV 816, die Teil einer sechsteiligen Suiten-Sammlung ist, die er für seine zweite Frau Anna Magdalena komponiert hat. Ein großer Teil von Bachs Klavier- und Orgelwerken sind ihrem Ursprung nach Unterrichtsliteratur, die er für die insgesamt zwanzig eigenen Kinder und seine Schüler an der Thomasschule geschrieben hat. Noch heute bilden viele davon einen festen Bestandteil eines jeden ordentlichen Klavier- oder Orgelstudiums.

Christine Schornsheim, die selbst durch die Programmfolge führte, spielte – nach Noten – ungemein transparent, technisch routiniert und vollendet, fein artikuliert, fein phrasiert, (mit den für die Barockzeit so typischen Trillern) delikat verziert und absolut stilsicher. Für die nach den Corona-Regeln weit auseinander sitzenden Zuhörer war es ein echter Kunstgenuss, ihr zuzuhören. Weil auf dem Cembalo ein dynamisches Spiel nicht möglich ist, arbeitete die Cembalistin innere Strukturen und Höhepunkte mit kleinsten zeitlichen Spielereien, also leichten Verzögerungen oder improvisierten Freiheiten, heraus. Gerade hier zeigte sich die große Klasse der Künstlerin.
Zwischen den Stücken eröffnete sie bekenntnishaft ihre sehr persönliche Sicht auf Bach und seine Musik. Sie habe nie Angst vor Bach, wohl aber großen Respekt gehabt und – wie viele Generationen zuvor – in dieser großartigen Musik ein Leben lang Trost und Kraft gefunden. Bachs Musik sei ein „Geschenk“, sie könne alles, „nur nicht Hintergrund“, setzte sie hinzu. In Abwandlung eines Zitates schließlich, ein Leben ohne Bach sei zwar möglich, aber sinnlos.

Auf dem Programm standen noch Werke aus Bachs späterer Leipziger Zeit, ein Canon aus der Kunst der Fuge und Fantasie und Fuge a-Moll BWV 904. Mit einem der bekanntesten Klavierwerke Bachs überhaupt, dem Italienischen Konzert BWV 971, endete glanzvoll das zugleich anspruchsvolle und unterhaltsame Solokonzert der bemerkenswerten Künstlerin. Als Dreingabe erklatschte sich das Publikum die zu Herzen gehende Aria, dem Thema der Goldberg-Variationen.

Wer durch diese Konzertbesprechung neugierig geworden ist, kann Christine Schornsheim auf „youtube“ erleben und Teile des Lienzinger Programms nachhören.

(Mühlacker Tagblatt vom 27.07.2021, Text: Dietmar Bastian, Foto: Fotomoment)