Musik aus dem 18. und 19. Jahrhundert

30.06.2021

Das Lotus String Quartet und Gaby Pas-Van Riet gastieren beim „Musikalischen Sommer“ in Lienzingen. (Mühlacker Tagblatt)

Gaby Pas-Van Riet (li.) musiziert mit dem Lotus String Quartet in Lienzingen. Foto: Fotomoment
Gaby Pas-Van Riet (li.) musiziert mit dem Lotus String Quartet in Lienzingen. Foto: Fotomoment

Mühlacker-Lienzingen. Das zweite Konzert der diesjährigen Reihe „Musikalischer Sommer“ war Musik aus dem 18. und 19. Jahrhundert gewidmet. In der Frauenkirche Lienzingen gastierten das Lotus String Quartet und Gaby Pas-Van Riet, die mit acht Jahren begann, Flöte zu spielen, und die heute zu den renommiertesten Vertretern ihres Fachs gehört.

Zum Auftakt erklang Mozarts Flötenquartett D-Dur KV 285, eines von vier Quartetten für Querflöte und drei Streichinstrumente, das wohl bedeutendste der 1777/78 vermutlich für einen holländischen Musikliebhaber entstandenen Werke. Dabei umrahmen die lebhaften Sätze Allegro und Rondeau ein „melancholisch klagendes Flötenständchen in h-moll“. Da in allen drei Sätzen das Soloinstrument dominiert, konnte man bereits bei dieser Gelegenheit die Virtuosität von Gaby Pas-Van Riet bewundern, die von 1983 bis 2016 Soloflötistin des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR war und die seit 1999 eine ordentliche Professur an der Hochschule für Musik und Theater des Saarlandes in Saarbrücken hat. Ausgebildet am Königlich-Flämischen Musikkonservatorium und an der Musikhochschule Köln, bei Wilhelm Schwegler, dem Soloflötisten des WDR, vervollständigte sie ihr Können in der Meisterklasse des inzwischen 92-jährigen Peter-Lukas Graf am Konservatorium Basel. Pas-Van Riet ist festes Mitglied als Soloflötistin des Bayreuther Festspielorchesters und seit zehn Jahren als ständiger Gast in gleicher Funktion bei den Berliner Philharmonikern. So war in Lienzingen ein echter Star zu bewundern, der in ganz Europa, in den USA, in Japan und im Nahen Osten auftritt, dem nicht wenige Komponisten Arbeiten widmeten, der sich aber auch durch die Wiederentdeckung romantischer Flötenkonzerte einen Namen gemacht hat.

Als zweites Werk in dieser Matinee wurde von dem Lotus String Quartet (Sachiko Kobayashi, Violine; Mathias Neundorf, Violine; Tomoko Yamasaki, Viola; Chihiro Saito, Violoncello) das Streichquartett Es-Dur opus 125 Nummer 1 von Franz Schubert zu Gehör gebracht. Es ist eines der Streichquartette aus der frühesten Jugend des Komponisten, entstanden im November 1813, als er das Stadtkonvikt verlassen und die Ausbildung als Volksschullehrer begonnen hatte. Gedacht war diese Arbeit des 16-Jährigen für das Privatquartett im Haus des Vaters, allenfalls noch für den Kreis der Mitschüler. Variantenreich, mit einem breiten musikalischen Ausdruck ist der erste Satz gestaltet. Heiter, leicht und lustig kommt der zweite Satz daher. Im dritten Satz scheint der Komponist „wie zum ersten Mal zu versuchen, das Charakteristische eines Adagio-Satzes für ein Quartett zu treffen“. Das klingt dann besinnlich und behutsam und ist doch auch breit ausladend. Diese Kammermusik ist „ideen- und figurenreich“. Und so hörte sich auch das rund 25-minütige, der Mode der damaligen Zeit gehorchende Werk in der kongenialen Interpretation des Lotus String Quartet an.

Nach der Pause wurde das Quintett A-Dur opus 105 für Flöte und Streichquartett von Antonin Reicha aufgeführt. Über eine halbe Stunde dauerte die Wiedergabe dieser Arbeit des böhmischen Komponisten, Musikpädagogen und Flötisten, der zu gleicher Zeit zweiter Flötist im kurfürstlichen Orchester Bonn war, als dort Ludwig van Beethoven Bratsche spielte. Als das Orchester aufgelöst wurde, ging Antonin Reicha zunächst nach Hamburg, dann nach Wien, wo er Unterricht bei Antonio Salieri nahm, und schließlich nach Paris, wo er später am Konservatorium Professor für Komposition wurde. Zu seinen Schülern zählten Hector Berlioz, Franz Liszt, Charles Gounod, César Franck und Friedrich von Flotow.

Von seinen Kompositionen sind bis heute seine fast zwei Dutzend Bläserquintette am bekanntesten. Eines davon, das zwischen 1824 und 1826 entstanden ist, wurde jetzt in der Frauenkirche Lienzingen von dem Lotus String Quartet und Gaby Pas-Van Riet geradezu unnachahmlich gekonnt wiedergegeben. Dabei konnte man sich nicht zuletzt erneut von dem geschwinden, teils zwitschernden, teils aufblitzenden und stets leuchtenden, brillanten Spiel der Meisterflötistin überzeugen.

(Mühlacker Tagblatt vom 30.06.2021, Text: Dieter Schnabel, Foto; Fotomoment)