Junge Musiker lassen Saison ausklingen

22.09.2018

Konzert bietet am Sonntag in der Lienzinger Frauenkirche ein Klangerlebnis – Aufführung geht „Lienzinger Akademie 2018“ voraus. (Mühlacker Tagblatt)

Dirigent Simon Wallinger und die Podiumsmusiker feilen an jedem Takt. Foto: Filitz
Dirigent Simon Wallinger und die Podiumsmusiker feilen an jedem Takt. Foto: Filitz

Nicht nur der kalendarische Sommer neigt sich dem Ende zu. Auch beim „Musikalischen Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche werden an diesem Sonntag nach dem Auftritt des „Podium junger Künstler“ die Notenhefte geschlossen. Mit diesem beachtenswerten Konzert klingt die diesjährige Saison aus.

Mühlacker-Lienzingen. Besondere Aufmerksamkeit verdient dieses Konzert, weil sich im Orchester 18 junge Musiker zusammengefunden haben und mit großem Engagement und sicht- und hörbarer Spielfreude vier ganz unterschiedliche Werke von Vivaldi, Webern, Philipp Emanuel Bach und ein Klavierkonzert von Mozart aufführen. Initiator dieses musikalischen Ereignisses ist Simon Wallinger, der am Pult steht und auch als Pianist zu hören ist. Ab dem 1. Oktober wird er auch als Kontrabassist dem Bayerischen Rundfunkorchester angehören.

Im Gegensatz zu vielen Chorleitern, die Mühe haben, gerade in ländlichen Gegenden Nachwuchssänger zu finden, sieht es in der Orchesterlandschaft dagegen glänzend aus. Wallinger rief, und viele kamen? Nein, so einfach war es dann doch nicht. „Es hatte sich rumgesprochen, dass ich ein Orchester zusammenstellen wollte, teils kannten wir uns persönlich oder Mundpropaganda half mit, Absolventen von Musikhochschulen in Stuttgart, München, Frankfurt und Freiburg zu gewinnen. Eine internationale ,Mischung‘ sitzt nun an den Pulten. Polen, Südamerika, Italien, Deutschland, Spanien und andere mehr sind die Heimatländer, der Konzertmeister kommt aus Armenien“, berichtete Wallinger. Parliert wird daher in Deutsch und Englisch, aber Musik wird ja auch ohne Worte verstanden. Die lebhafte Gestik des Dirigenten machte zudem deutlich, wie er sich „seine“ Interpretation vorstellte.

Der Konzertaufführung geht die viertägige „Lienzinger Akademie 2018“ voraus. Die umfasst ab Donnerstag bis hin zur Aufführung intensivste Probenarbeit. Der erste Abend verlief noch recht zwanglos. Alle vier Werke wurden „angespielt“, Grundlagen ausgelotet, die Solocellistin und der Pianist begannen, die gemeinsame Basis mit den Orchestermusikern herauszuspielen. Ganz anders dagegen der Freitag, Beginn 9.30, Ende 15.30 Uhr mit nur kurzer Mittagspause. Jetzt ging es sozusagen ans Eingemachte. Da der Flügel vom Vorabend her noch inmitten des Podiums stand, begann der Tag mit Mozarts Klavierkonzert. Nicht nur für Simon Wallinger als Dirigent und Pianist in Personalunion eine Herausforderung, auch die Musiker mussten hochkonzentriert über Stunden mitarbeiten. „Takt 141 – hier bitte ein Forte piano“, unterbrach der Dirigent, als die Streicher kaum begonnen hatten. Also nochmals diese Passage und ein paar Takte mehr mit perlenden Läufen am Klavier. Und schon wieder ein Halt. „Takt 169: Die Synkopen bitte etwas schärfer, dann in einen singenden Dialog übergehen. Ab Takt 179 das Forte piano auch schärfer. „Only a little bit, not too much“, verlangte der Dirigent. Takt 246 begann er mit seinem Solo, wieder unterbrochen nach wenigen Takten. Der Ausdruck der ersten Violinen war noch nicht so, wie Wallinger diese Streichergruppe hören wollte. „Den Klang bitte von unten her aufbauen.“ Und an die zweiten Geigen gerichtet: „Die Achtel eben bitte artikulierter spielen, damit die anderen sie hören. Und an die Bratschen: „Ihr Cis hier ist besonders wichtig.“ Der Dirigent zeigte sich natürlich auch offen für Ideen und Vorstellungen der Musiker, es wurde diskutiert, dann abgewogen und umgesetzt, um so den Intentionen der Komponisten auf bestmögliche Weise zu entsprechen.

Neben den Notenblättern lagen auf den Pulten auch Bleistifte. Anweisungen wurden notiert, wieder ausradiert, neu verfasst. Alles in allem: bis hin zur allerletzten Zweiunddreißigstelnote eine Detailarbeit, die ungemein viel Kraft von allen fordert. Zwischendurch mal abzuschalten war nicht möglich. Als Last hat aber keiner diesen „Stress“ empfunden. Im Gegenteil. Im gemeinsamen Spiel lernten sie einander kennen, um dann auch nach „Feierabend“ noch auf schwäbische Weise zusammenzuhocken.

Untergebracht sind die jungen Leute rund um Zaisersweiher, dem Wohnsitz der Familie Wallinger. Am Freitagabend gab es eine Party im Füllmenbacher Hof. Heute ist der Vormittag frei und Muße die schöne Weingegend ein wenig zu erkunden. Am Abend steigt ein Benefizkonzert um 19 Uhr in der Thomaskirche in Pforzheim – wieder mit dreistündiger Probe zuvor. Am morgigen Sonntag ist dann nach einem Anspiel um 9.30 Uhr der Konzertbeginn um 11 Uhr in der immer wieder beeindruckenden Frauenkirche. „Ummantelt“ von Werken des Barock und Romantik ist das Opus 5 von Webern im Programm notiert, ein Stück, nicht in einer Norm zu fassen. „Das wollen die jungen Musiker unbedingt bringen. Es ist eine Klangperle“, erklärte Peter Wallinger. Er begleitet hie und da mit fachlichem Rat seinen Sohn nach dem Motto: „Vier Ohren hören mehr als zwei“, obwohl auch dem Junior die leisesten Unregelmäßigkeiten nicht entgehen, wie er in den Proben bewiesen hat.

(Mühlacker Tagblatt vom 22.09.2018. Text und Foto: Eva Filitz)