Delikate Kostbarkeiten

26.06.2018

Werke von Brahms und Bruckner erklingen in der Frauenkirche (Mühlacker Tagblatt)

Paul Pesthy ergänzt das Lotus String Quartet bei Bruckners Streichquintett. Foto: Fotomoment
Paul Pesthy ergänzt das Lotus String Quartet bei Bruckners Streichquintett. Foto: Fotomoment

Mühlacker-Lienzingen. Mit zwei Meisterwerken von Komponisten des 19. Jahrhunderts wurde das zweite Konzert des „Musikalischen Sommer“ in der Frauenkirche in Lienzingen bestritten. Man hörte Kammermusik von Johannes Brahms und Anton Bruckner.

Die Matinee begann mit der Aufführung des dritten Streichquartetts von Johannes Brahms, das der gebürtige Hamburger 1875 in Ziegelhausen bei Heidelberg komponiert hatte. Ein Jahr später erklang das Werk zum ersten Mal, gespielt vom Joachim-Quartett, im Haus von Clara Schumann, im Oktober 1876 wurde das Streichquartett B-Dur opus 67 dann in Berlin öffentlich uraufgeführt. Johannes Brahms machte es sich mit der Komposition von Streichquartetten nicht leicht, und so legte er erst 1873 sein erstes vor, mit der Bemerkung, er habe zuvor schon über 20 Quartette komponiert und sie wieder verworfen. Dennoch gehört sein jetzt in Lienzingen vom Lotus String Quartet (Sachiko Kobayashi und Mathias Neundorf – beide Violine –, Tomoko Yamasaki – Viola -, Chihiro Saito – Violoncello) gespieltes drittes und letztes Streichquartett zu den Meisterwerken romantischer Kammermusik.

Es ist sozusagen ein heiteres Nachspiel zu den zwei 1873 entstandenen, in Moll geschriebenen Streichquartetten. Es ist weniger dramatisch und polyphon, dafür klassizistischer in der Formgebung als die zwei anderen. Brahms verarbeitete in ihm nicht nur ein zweimal gehörtes Zitat aus dem ebenfalls in B-Dur stehenden „Jagdquartett“ KV 458 von Mozart. Auch der späte Beethoven ist präsent. Und er brachte es dazu fertig, „sich in einer Tradition fortzubewegen und gleichzeitig seiner Zeit weit vorauszugreifen“. Nicht von ungefähr kam Arnold Schönberg bei der Analyse der Streichquartette von Johannes Brahms zum Ergebnis, dieser habe in seiner Musik bereits „die Wurzeln seiner eigenen Kompositionstechnik vorausgegriffen“.

Im Kopfsatz werden stilisierte Jagdsignale und Polkamotive gegeneinandergestellt, was vom Lotus String Quartet bewegt zupackend, mit geradezu tirilierenden Solo-Violine-Einlagen transparent gemacht wird. Ernster ist das Andante, mit einer dreiteiligen Liedform, das sich eher bedächtig in ruhigen Bahnen bewegt und leise ausklingt. Im Agitato (Allegretto non troppo), einem „dämonischen Nachtstück“, dominiert die von Tomoko Yamasaki exzellent gespielte Bratsche. Eine Zusammenfassung bringt das Finale (Poco Allegretto con variazioni), in dem der Komponist, wie zuvor im ersten Satz mit einer Polka, nun mit einer Gavotte ein traditionelles Tanzmodell thematisiert.

Im zweiten Teil spielte das Lotus String Quartet, jetzt ergänzt durch Paul Pesthy, Erster Solobratscher des SWR Symphonieorchesters, das Streichquintett F-Dur von Anton Bruckner. Das Herzog Max Emanuel von Bayern gewidmete Werk komponierte der Oberösterreicher vom Dezember 1878 bis zum Juni 1879. Bekannt sind Bruckners Sinfonien und seine geistlichen Werke, als Komponist von Kammermusik ist er seltener in Erscheinung getreten. Doch sein einziges Streichquintett ist eine Kostbarkeit. In der Besetzung folgt sie Mozarts Vorbild. „Biegsame und bisweilen überraschende Harmonien, voller chromatischer Eintrübungen, motivisch gegliederte und weiträumig sich entfaltende Melodik“ bestimmen den Eindruck von dem Werk mit seinen „Kontrastbildungen auf engstem Raum“.

Einerseits dynamisch, andererseits fast zart erklingt der erste Satz in „gemäßigtem Moderato“. Eher heiter und lustig ist der mit Pizzicato-Passagen durchsetzte, von angedeuteten Synkopen durchzogene Scherzo-Satz. Melodiös, ausgeglichen, einerseits freudig, andererseits besinnlich, das ist der Eindruck vom verklärt ausklingenden Adagio-Satz. Bewegt, zuweilen aufbrausend, lebhaft, mit dynamischen Höhepunkten gestaltet das Lotus String Quartet das Finale dieses Streichquintetts, das alle Merkmale des reifen Bruckner-Stils aufweist. Bei der Zugabe kehrte das Instrumental-Quintett wieder zu Brahms zurück und spielte einerseits aufwühlend, andererseits einschmeichelnd den dritten Satz aus dessen Streichquintett G-Dur op. 111: „Ein letzter Brahms’scher Gruß an den Schumann’schen Klaviersatz“.

(Mühlacker Tagblatt vom 26.06.2018. Text: Dieter Schnabel, Foto: Fotomoment)