Anspruchsvolle Werke meisterhaft interpretiert

25.07.2017

Das „Lotos String Quartet“ gastiert beim „Musikalischen Sommer“ in Lienzingen (Mühlacker Tagblatt)

Mühlacker-Lienzingen. Mit drei Kompositionen aus dem 18. und 19. Jahrhundert gastierte das „Lotos String Quartet“ in der Lienzinger Frauenkirche. Sie bot mit ihrer Holztonnendecke und der daraus resultierenden hervorragenden Akustik den passenden Rahmen für die Matinee.

Zum Auftakt hörten die Besucher das Streichquartett C-Dur, op. 20 Nr. 2 von Joseph Haydn. Es ist eines der sechs sogenannten „Sonnenquartette“, die der Komponist, damals Erster Kapellmeister der Fürsten Esterházy im Schloss Esterháza am Neusiedler See, 1772 geschrieben hat und die zwei Jahre später veröffentlicht wurden. In diesen Werken erweist sich Joseph Haydn mit seinem Einfallsreichtum und seiner Experimentierfreude geradezu als Avantgardist in der damaligen Musikgeschichte. Zum einen wird das Cello sozusagen emanzipiert, zum anderen bildet eine vierthemige Fuge – die längste und aufwendigste der drei in seinem op. 20, das einer Spielerei mit Synkopen gleicht – das Finale, eine Neuheit im 18. Jahrhundert. Beschwingt und heiter, durchaus aber auch ernst und zuweilen artifiziell interpretierte das „Lotus String Quartet“ mit Sachiko Kobayashi, Mathias Neundorf (beide Violine), Tomoko Yamasaki (Viola) und Chihiro Saito (Violoncello) das rund 20-minütige Werk.

Vom 18. ging es ins 19. Jahrhundert. Auf dem Programm stand das mit einer Spieldauer von 25 Minuten nur unwesentlich längere, aber hinsichtlich des Klangbilds ganz anders geartete Streichquartett g-Moll op. 10 von Claude Debussy. Komponiert 1893, im selben Jahr in Paris vom damaligen Ysaye-Quartett uraufgeführt, gehört es zu den Werken, in denen der Franzose, einer der wesentlichen Vertreter des musikalischen Impressionismus, seinen Stil gefunden hat. Dabei entwickelte er die vier Sätze aus dem Hauptthema des Kopfsatzes. Er löste sich von den Vorgaben der damals vorherrschenden Wiener Klassik, negierte sie aber nicht ganz. Er integrierte zeitgenössische deutsche und russische Kompositionen, ließ sich von Edvard Griegs Streichquartetten inspirieren und beeinflusste mit seiner Arbeit später entstandene Streichquartette von Maurice Ravel, Béla Bartók und Zoltán Kodaly.

Die ungewöhnliche Rhythmik, teils exotische Klänge und verschiedenartige Instrumentalfarben, exzellent ausgearbeitet vom „Lotos String Quartet“, beeindruckten auch die Besucher in der Frauenkirche.

Nach der Pause brachten die vier Instrumentalisten ein Werk von Ludwig van Beethoven zu Gehör, dessen Vorstellung so lange dauerte wie die zwei Aufführungen vor der Pause zusammen. Es handelte sich um das zwischen 1822 und 1825 entstandene, dem selbst Cello spielenden russischen Fürsten Nikolaus Galitzin gewidmete und 1825 in Wien vom Shuppanzigh-Quartett uraufgeführte Streichquartett Es-Dur op. 127. Seither ist der Erfolg dieser Arbeit treu geblieben, so auch jetzt in Lienzingen. Ursprünglich hatte Ludwig van Beethoven zwei Sätze mehr geplant, begnügte sich aber dann mit der klassischen Viersätzigkeit. Das erleichtert dem Hörer, trotz der Dimension des ganzen Werks, die Orientierung bei den erweiterten und variierten Formencharakteren der Komposition. Dazu kommen die thematischen Querverbindungen der vier Sätze, die den Eindruck von Einheitlichkeit vermitteln.

Beginnend mit dem Kopfsatz als Sonatensatz, über den weit ausladenden Variationssatz und den in bekannter dreiteiliger Scherzoform verlaufenden dritten Satz bis hin zu dem fast volkstümlichen Tonfall des rondomäßig angelegten Finales schritt das „Lotos String Quartet“ Ludwig van Beethovens in diesem Streichquartett komplex angelegte Klangwelt kongenial aus. Dafür und auch für seine anderen meisterhaften Darbietungen in dieser Matinee wurde es zu Recht mit reichem Beifall bedacht.

(Mühlacker Tagblatt vom 25.07.2017, Dieter Schnabel)