Intensives Spiel geht unter die Haut

11.07.2017

Das Festkonzert zum 40-jährigen Bestehen der Reihe „Musikalischer Sommer“ begeistert das Publikum in der Frauenkirche (Mühlacker Tagblatt)

Daniel Koschitzki bringt mit seiner Blockflöte einen Distelfink zum Singen. Fotomoment
Daniel Koschitzki bringt mit seiner Blockflöte einen Distelfink zum Singen. Fotomoment

Aufgeregtes Stimmengewirr herrscht in der Kirche, viele kennen sich seit Jahren und freuen sich auf das bevorstehende Konzert. Es ist ein besonderes, denn es ist das Festkonzert, mit dem „40 Jahre Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche gefeiert werden.

Mühlacker-Lienzingen. An den örtlichen Gegebenheiten hat sich in vier Jahrzehnten nicht viel geändert, auch jetzt müssen die Beteiligten rund um das Konzertgeschehen alles alleine bewerkstelligen, vom Herrichten der Kirche bis zum Aufräumen am Schluss. Den Konzertort, die Frauenkirche, haben viele Menschen liebgewonnen. Die Musiker schätzen sie aufgrund ihrer Akustik, die trägt, aber die Klänge nicht verschmiert, sondern klar bleiben lässt. Gekommen ist am Sonntagvormittag auch viel Prominenz: Um das Jubiläum mitzufeiern, sind Landrat Karl Röckinger, der Mühlacker Oberbürgermeister Frank Schneider, Jürgen Meeh von den Stadtwerken Mühlacker und Vertreter der Scheuermann-Stiftung anwesend. Der OB begrüßt die Gäste und ist sichtlich stolz darauf, dass Mühlacker so etwas Herausragendes wie den „Musikalischen Sommer“ aufweisen kann. Der Dank an Peter Wallinger und dessen Familie sowie an die Sponsoren, ohne die auch diese Konzertreihe nicht bestehen könnte, kommt von Herzen, und obwohl er selbst bisher nur wenig Zeit gefunden habe, wünsche er sich mindestens 40 weitere Jahre und hoffe, in Zukunft ein paar mehr Konzerte miterleben zu dürfen.

Mit jugendlichem Elan dirigiert Peter Wallinger die von ihm gegründete Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim, die aber im Eingangsstück, der Sinfonie A-Dur Wq 184 von Carl Philipp Emmanuel Bach sonst eher ungewohnte kleinere Schwächen in der Intonation zulässt. Dann aber erklingt das Werk frisch und zupackend, und man merkt den Instrumentalisten die Freude an, die sie trotz aller Ernsthaftigkeit bei der Musik empfinden.

Daniel Koschitzki bringt das kleinste der im Einsatz befindlichen Instrumente mit. Was er aber als Distelfink mit seiner Sopranino in Antonio Vivaldis Konzert „Il Gardellino“ zwitschert und pfeift und trillert, das versetzt das zahlreich erschienene Festpublikum in fasziniertes Erstaunen. Die Kammersinfonie erweist sich dabei nicht einfach nur als Mitläufer, sondern als gleichwertiger Partner, der mit ebenso viel Witz und Vermögen dem kleinen, lebhaften Distelfink eine bunte, farbenreiche Bühne bietet. Nach dem hinreißenden zweiten Satz fasst ein Zuhörer den wohl zahlreich vorhandenen Gedanken in Worte: „Ist das schön !“ Dem ist nichts hinzuzufügen außer dem stürmischen Applaus, der über die Ausführenden hereinbricht.

Nina Rota, ein Komponist aus dem 20. Jahrhundert, ist mit seinem „Concerto per Archi“ vertreten. Klangvoll und mit Nachdruck spielt die Kammersinfonie, angeführt von einem fordernden Wallinger, und sie verstehen es gut, die verschiedenen Charaktere auszudeuten. So necken und tanzen sie, schaffen Atmosphäre, spielen sich gegenseitig die Bälle zu und berauschen sich und das Publikum mit einer Intensität, die unter die Haut geht.

Nach der Pause erklingt mit dem 4. Brandenburgischen Konzert von Johann Sebastian Bach das Lieblingsstück zahlreicher Anwesender. An Daniel Koschitzkis Seite spielt seine Duopartnerin Andrea Ritter die zweite Blockflöte, und Sachiko Kobayashi, die zuvor engagiert und souverän die Konzertmeisterin der Kammersinfonie war, übernimmt die Solo-Violine. Die drei Solisten harmonieren so gut, als hätten sie nie etwas anderes getan, als miteinander zu musizieren, und beweisen dabei ein Niveau, das eines Festkonzertes mehr als würdig ist. Die Kammersinfonie nimmt den Geist der drei Solisten auf und reagiert sensibel auf deren Interpretation. Manchmal wünscht man sich vielleicht etwas mehr Zurückhaltung des Tutti, aber der Begeisterung des Publikums und auch der Musiker setzt das keine Grenzen.

Dieses Festkonzert zeigt, worauf es Peter Wallinger ankommt: Kleinode der Musikgeschichte erfahrbar und vertraute Musik neu erlebbar zu machen, dazu besondere Musiker und Ensembles, und das im kleinen Kulturdenkmal Frauenkirche, in dem sich die Musiker ebenso zu Hause fühlen wie die zahlreichen, zum Teil langjährigen begleitenden Zuhörer.

Ohne den Tatendrang des Initiators und Festivalleiters allerdings hätte sich die Konzertreihe nicht auf ihren heutigen Standard entwickeln können. Auch nicht ohne starke Partner an ihrer Seite, und so betitelt Dr. Johannes Bastian vom Förderverein „Mühlacker Klassik“ die Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ und auch das Pendant im Winter „Mühlacker Concerto“ zu Recht als das Lebenswerk Peter Wallingers.

(Mühlacker Tagblatt vom 11.07.2017, Text: Irene Schallhorn, Foto: Fotomoment)