Auftakt mit erstaunlichen Solisten

07.11.2022

Ein Cello-Piano Recital eröffnete die MühlackerConcerto-Saison. (Pforzheimer Zeitung)

Brillant wiedergegebene Bravourstücke: der Pianist Boris Feiner. Foto: Volker Henkel/Fotomoment
Brillant wiedergegebene Bravourstücke: der Pianist Boris Feiner. Foto: Volker Henkel/Fotomoment

Mühlacker. Bei der Wiedergabe des zweiten Teils von Pêteris Vasks "Grämata Cellam" ist Anna Meipariani ganz bei sich, ganz bei ihrem erstaunlichen Talent. Die 15-jährige Cellistin, die auf ihrem Instrument seit dem vierten Lebensjahr spielt, musiziert das "Dolcissimo" mit einer Hingabe und Einfühlung, wie man es selten erlebt.

Schwierigste, ganz hohe glissandierende Pianissimo-Flageoletts, die lautmalerisch sanfte Windgeräusche evozieren, werden mit unglaublicher Perfektion und Zartheit geboten. Eine weitgespannte Melodie über gleichzeitigem ostinaten Bordunbass – eine technische Herausforderung – entfaltet einen sanften Cellosound, zu dem das Mädchen zu singen beginnt, bis die Musik wie in einem Windhauch verweht.

Ist Sol Gabetta, die bei einem Maulbronner Klosterkonzert ihr Cellospiel ebenfalls vokal begleitete, ihr großes Vorbild? Jedenfalls bewirkt der spontane Publikumsbeifall befreiendes Lachen bei der jugendlichen Solistin, die ansonsten sehr ernst, hochkonzentriert und etwas angespannt zur Sache geht.

Einzigartige Solisten

Eingeleitet hatte Anna das Recital zur Eröffnung der Concerto-Saison im Mühlacker Uhlandbau mit Johann Sebastian Bachs Cello-Suite Nr.1 in G-Dur (BWV 1007). Auch hier bietet sich ein Rekurs auf die (diesjährigen) Klosterkonzerte an, wo der berühmte Pieter Wispelwey alle sechs Bach-Suiten für Cello solo interpretierte. Ein weiteres Vorbild?

Was die Handwerkskunst betrifft, sind beide Solisten auf ihre Weise einzigartig. Dort der erfahrene, geradlinig mit makelloser Technik aufspielende Meister-Virtuose, hier die ehrgeizig antretende Aufsteigerin, die hocheffizient eine Aufgabe bewältigt, die normalerweise Cellospielerinnen ihres Alters deutlich überfordern dürfte. Meiparianis Spiel zeichnet sich auch durch intensive Emotionalität aus.

Auf dem Weg zur Super-Cellistin: Anna Meipariani. Foto: Volker Henkel/Fotomoment 
Auf dem Weg zur Super-Cellistin: Anna Meipariani. Foto: Volker Henkel/Fotomoment

Mitreißende Aufführung

Was die schon mehrfach – nicht nur beim Bundeswettbewerb "Jugend musiziert" – mit ersten Preisen bedachte Cellistin alles kann, wurde nicht zuletzt in der mitreißenden Aufführung von Mieczyslaw Weinbergs Sonate Nr.1 (op. 72) für Violoncello solo überdeutlich.

Das anfangs volksliedhaft wirkende "Andante" steigerte sich zu Gefühlsausbrüchen, ein locker hüpfendes "Allegretto" mit feinen Pizzikato-Abschnitten folgte. Im fulminanten Endspurt das abschließende, tempoforcierte "Allegro" mit ausdruckstiefen Doppelgriff-Passagen, alarmistisch sich aufbäumenden Skalen und kraftvoll betonten, breiten Bogenstrichen in den akkordischen Einwürfen.

Das Konzert im Uhlandbau war freilich ein Doppel-Recital, denn neben Meipariani gastierte der international bereits etablierte ukrainische Pianist Boris Feiner. Er erfreute die Zuhörer zum einen mit populären, brillant wiedergegebenen Bravourstücken – dem verträumten Impromtu Ges-Dur (op. 90 Nr. 3) von Franz Schubert, dem "Lied ohne Worte" in fis-Moll (op. 67 Nr. 2) von Felix Mendelssohn Bartholdy und dem poesievollen, sprühende und schäumende Wasserspiele in Töne verwandelnden "Jeux d'Eau" von Maurice Ravel.

Andererseits spielte Feiner auch selten zu hörende Kompositionen wie die expressionistische "Goyeska" Nr. 4 aus "Los Majos Enamorados" von Enrique Granados und Alexander Skrjabins Etüde cis-Moll (op. 2 Nr. 1), die in ihrer dunkel-düsteren Klangsprache gut zum herbstlichen November-Abend passte. Als Höhepunkt offerierte der exzellente Solist die "Toccata" aus seiner eigenen Sonate (op. 1 Nr. 1), die in durcheinanderwirbelnden Läufen mit scharfkantig hartem, oft stockendem Duktus auch die Zerrissenheit seiner Heimat musikalisch zum Ausdruck brachte.

Versöhnliche Musik zum Abschluss

Zum Abschluss offerierten beide Solisten im Duo-Format sehr versöhnliche Musik. Das Arrangement zu Mendelssohns "Auf den Flügeln des Gesangs" zauberte Romantik pur in den gut besuchten Saal. Und die begeistert herbeigeklatschte Zugabe bot – wie kürzlich auch in Maulbronn beim Duo-Abend Glemser-Demenga – die für Klavier und Cello bearbeitete Vocalise von Sergej Rachmaninow. Jedenfalls präsentierte Peter Wallingers Concerto-Reihe, wenn die für Anna Meipariani verantwortlichen Erwachsenen, insbesondere ihre Musiklehrer, weiterhin alles richtig machen, eine künftige Super-Cellistin.

Die weiteren Konzerte bestreitet das Orchester in Residenz, die sueddeutsche kammersinfonie bietigheim, unter der Leitung von Simon und Peter Wallinger. Im Adventskonzert am Sonntag, 4. Dezember, 17 Uhr, gibt es ein Wiedersehen mit dem Klarinettisten Sebastian Manz mit Werken von Haydn, Weinberg und Mozart.

(Pforzheimer Zeitung vom 07.11.2022, Text: Eckehard Uhlig, Fotos: Fotomoment Volker Henkel)