18.01.2024
Mühlacker Neujahrskonzert mit der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ bietet bekannte und seltene Kompositionen. (Mühlacker Tagblatt)
Mühlacker. Hört man Neujahrskonzert, dann denkt man in erster Linie an das alljährlich am 1.Januar im Wiener Musikverein stattfindende, von den Wiener Philharmonikern, unter wechselnden Dirigenten bestrittene Konzertereignis, in dessen Mittelpunkt die Musik der Strauß-Dynastie und ihres Umfeldes steht. Ganz anders dagegen in Mühlacker. Da ist für das Neujahrskonzert im Uhlandbau die vor 40 Jahren von Peter Wallinger gegründete und von ihm bisher geleitete „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ zuständig, die in ihrem Frühjahrskonzert am 3. Mai ihr Jubiläum feiert.
Doch zunächst stand einmal als erstes Konzert im neuen Jahr das Neujahrskonzert auf dem Programm, das einen ganz anderen Charakter als das berühmtere in Wien hatte. Hörte man in dieser Matinee doch Musik aus verschiedenen Jahrhunderten, darunter nicht nur Bekanntes, sondern auch Unbekanntes. Dazu kam, dass mit der von der Tschechin Barbara Hulcová gespielten Theorbe ein in gängigen Orchestern eher seltenes Instrument vorgestellt wurde. Und schließlich hatte Sopranistin Juliane Brittain den Gesangspart übernommen. Interpretierende Zwischentexte sprach Maiken Wallinger.
Eingerahmt von der „Aria“, mit dem Charakter einer Sarabande, aus den „Goldberg-Variationen“, die Johann Sebastian Bach dem „Notenbüchlein für Anna Magdalena“ aus dem Jahr 1715 entnommen hatte, hörte man von dem 13-köpfigen Orchester, in unterschiedlicher Stärke, teils mit, teils ohne den Dirigenten Peter Wallinger, einen interessanten Querschnitt verschiedenster Stilrichtungen, stets den Intentionen der Komponisten entsprechend interpretiert. Dabei machten, neben den bereits Genannten, besonders Andrea Lamoca Alvarez und Lilia Rubin (beide Viola), Studentinnen der Meisterklasse von Andra Darzins an der Musikhochschule Stuttgart, auf sich aufmerksam.
John Dowland, der wohl bedeutendste englische Komponist des frühen Barocks, war mit seinem populärsten Stück, dem Lied „Flow, my tears“ aus „Lachrymae“ vertreten, aber auch mit zwei Tanzsätzen und „Sir John Smith his Almain“, einem Laute-Solo. Von Henri Purcell standen zwei Kompositionen auf dem Programm. Der mit dem Ehrentitel „Orpheus britannicus“ Gewürdigte, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelebt hat, schon damals als der bedeutendste englische Komponist galt und der bis heute vor allem durch seine Bühnenwerke „Dido und Aeneas“, „King Arthur“ und „The Fairy Queen“, aber auch durch sein „Te Deum“ bekannt ist, war mit zwei Arbeiten für Sopran und Theorbe vertreten, zum einen mit „Music for a while“, zum anderen mit „If music be the food of love“.
Von Johann Sebastian Bach wurden, außer der bereits erwähnten „Aria“, noch zwei weitere Werke zu Gehör gebracht. Zunächst erklang das 103 Takte umfassende, sechsstimmige „Ricercar“, entstanden auf Wunsch von König Friedrich II. von Preußen, dem der Komponist ein lateinisches Akristichon vorangestellt hat: „Regia Iussus Cantio Ex Reliqua Canonica Arte Resolute“ („Ein auf Geheiß des Königs ausgeführter Satz und andere in der Kunst des Kanons abgefasste Stücke“).
Der zweite Teil begann mit dem Brandenburgischen Konzert Nr. 6 B-Dur BWV 1051. Interessant ist die Entstehungsgeschichte des Werks. Damit der Feudalherr und der Hofmusicus im gleichen Ensemble spielen konnten, hielt Johann Sebastian Bach die erste Viola da Gamba technisch in den Grenzen, die dem Fürsten Leopold von Anhalt-Köthen, der Gambe spielte, wenn auch nicht gerade virtuos, zugänglich waren.
Als Komponist der Neuzeit vervollständigte der 1957, im Alter von 91 Jahren gestorbene Finne Jean Sibelius mit seinem Impromptu op. 5 für Streichorchester das, einschließlich der Pause, rund zweistündige Mühlacker Neujahrskonzert 2024 im Uhlandbau.
(Mühlacker Tagblatt vom 18.01.2024, Text: Dieter Schnabel)