Literaturvorträge hinken Musik hinterher

16.01.2018

Neujahrskonzert der „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ im Uhlandbau – Dirigent zeigt seine Meisterschaft (Mühlacker Tagblatt)

Anne-Sophie Bertrand glänzt als Soloharfenistin beim Neujahrskonzert im Rahmen der Reihe „Mühlacker Concerto“ im Uhlandbau. Foto: Fotomoment
Anne-Sophie Bertrand glänzt als Soloharfenistin beim Neujahrskonzert im Rahmen der Reihe „Mühlacker Concerto“ im Uhlandbau. Foto: Fotomoment

Im Rahmen der Reihe „Mühlacker Concerto“ hat die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ zu einem Neujahrskonzert in den Uhlandbau eingeladen. Unter dem Titel „Zauber der Natur“ präsentierte das Ensemble unter der Leitung von Peter Wallinger Interessantes und wenig Bekanntes. Der Schwerpunkt lag auf Werken aus dem 19. Jahrhundert.

Mühlacker. Dabei war nicht nur Musikalisches zu hören, sondern auch Literarisches. Diesen Part übernahm der Schauspieler und Regisseur, in Baden-Baden als Logotherapeut arbeitende 58-jährige Frank Albrecht. Mit dem von ihm vorgetragenen Spruch „Einem Komponisten ins Stammbuch“ des Norwegers Henrik Ibsen begann das Programm. Zwischen den Musikstücken machte Albrecht immer wieder, die Worte mit zuweilen theatralischen Bewegungen unterstreichend und komödiantisch deutend, mit unterschiedlichen Texten bekannt. Dabei kam Schriftsteller und Maler Georg von der Vring mit „Notenblatt des November“, „Nachtkonzert“ und mit „Finkengezwitscher beim Ausbrechen der Knospen“ zu Wort. Von Rainer Maria Rilke hörte man „Natur ist glücklich“, von dem nicht zuletzt durch seine gesellschaftskritischen deutschen Volkslieder bekannt gewordenen Wilhelm Müller „Gefrorne Tränen“ und von Conrad Ferdinand Meyer, dem Schweizer Dichter des Realismus, dessen „Möwenflug“.

Interessant nicht nur in programmatischer Hinsicht, vor allem aber besser hinsichtlich des Vortrags war der musikalische Part des Neujahrskonzerts. Zum Auftakt spielte die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ nicht etwa die Peer-Gynt-Suiten 1 und 2 aus der Schauspielmusik „Peer Gynt“ zum gleichnamigen dramatischen Gedicht von Henrik Ibsen, die zu den bekanntesten Orchesterstücken der romantischen Musik gehören, sondern zwei „Nordische Weisen“ op. 63 Nr. 1 und 2 von Edvard Grieg. „Im Volkston“ ist die Bezeichnung der einen, 1896 erschienenen Komposition, „Bauerntanz“ die der anderen. Behutsam, sensibel gespielt erklang die eine Weise, locker und beschwingt die andere. Aus dem Jahr 1890 stammt die Urfassung von „Crisantemi“, ein Andante-Ausflug des Opernkomponisten Giacomo Puccini in die Instrumentalmusik. Bekannt wurde diese Trauermusik, die jetzt in Mühlacker bedächtig und getragen interpretiert wurde, vor allem durch seine drei Jahre später entstandene Oper „Manon Lescaut“, in der sie im vierten Akt die Sterbeszene der Titelheldin begleitet.

Ein Ausflug ins 18. Jahrhundert war „Der Winter“ op. 8,4 aus dem Zyklus „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi. Im Allegro non molto glaubte man geradezu die klirrende Kälte, den schneidenden Wind und das berstende Eis zu hören. Wohlig war dagegen das Largo („Am Kamin, Regentropfen fallen“). Und im Allegro kamen die „Schritte auf dem Eis“ zum Klingen. In der Interpretation dieser Komposition, bei der Sachiko Kobayashi, die Primgeigerin des „Lotus String Quartet“, als Solistin brillierte, zeigte sich die Meisterschaft des Dirigenten Peter Wallinger.

Wer bislang die Harfe nur als antikes, zuweilen im Orchester eingesetztes Instrument kannte, der wurde eines Besseren belehrt. Schon bei den „Danses pour Harpe et Orchestre“ von Claude Debussy, einer Auftragskomposition des Hauses Pleyel 1904 im Harfenstreit mit dem Konkurrenten Erard, der ein Jahr später Maurice Ravel für eine Komposition gewann, stand die Harfe im Mittelpunkt des Orchesterspiels, als Anne-Sophie Bertrand, Soloharfenistin im Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, meisterhaft „Danse sacrée“ und „Danse profane“ interpretierte. Die Klangfülle und die mögliche Breite des Ausdrucks der Harfe kam dann erst recht bei ihrem differenzierten, grandiosen Solospiel von Claude Debussys „Jardins sous la pluie“ zur Geltung.

Mit dem „Lied der Lerche“ – dem März – und dem „Walzer“ – dem Dezember – wurden zwei der zwölf Teile aus dem Zyklus „Die Jahreszeiten“ von Pjotr I. Tschaikowski vorgestellt, wobei dann doch noch ein Walzer, der häufig im Mittelpunkt von Neujahrskonzerten steht, in Mühlacker zu Gehör gebracht wurde, bevor es eine überflüssige textliche und eine hörenswerte musikalische Zugabe gab.

(Mühlacker Tagblatt vom 16.01.2018, Text: Dieter Schnabel, Foto:  Fotomoment)