Himmlisch und erdverbunden zugleich

23.11.2017

Das Lotus String Quartet und Philippe Tondre spielen zum Saisonstart von Mühlacker Concerto in der Historischen Kelter Ötisheim (Mühlacker Tagblatt)

Stars der Klassik-Szene in Ötisheim: Oboist Philippe Tondre musiziert gemeinsam mit dem Lotus String Quartet. Foto: Fotomoment
Stars der Klassik-Szene in Ötisheim: Oboist Philippe Tondre musiziert gemeinsam mit dem Lotus String Quartet. Foto: Fotomoment

Zum Auftakt der neuen Mühlacker-Concerto-Saison gab es in der Kelter in Ötisheim ein Wiedersehen mit dem bekannten Lotus String Quartet, das drei Werkeaus dem 18. und 19. Jahrhundert zu Gehör brachte. Dazu kam der erstmalige Auftritt des französischen Solo-Oboisten Philippe Tondre, der dabei mit einer Besonderheit aufwartete.

ÖTISHEIM. Zunächst spielte das Lotus String Quartet – Sachiko Kobayashi (erste Violine), Mathias Neundorf (zweite Violine), Tomoko Yamasaki (Viola), Chihiro Saito (Violoncello) – das nicht vollendete letzte Streichquartett in d-moll opus 103 von Joseph Haydn. Wohl schon 1802 begonnen, gab der Komponist jedoch zunächst seiner letzten großen Messe, der „Harmoniemesse“ in B-Dur, den Vorzug. Vollendet wurden dann drei Jahre später das Andante in B-Dur und das Menuett in d-moll, wohl die Mittelsätze des geplanten Streichquartetts. Im Jahr 1806 schickte Joseph Haydn diese zwei Sätze, zusammen mit seiner musikalischen „Visitenkarte“ – „Hin ist alle meine Kraft, alt und schwach bin ich“ – an Breitkopf in Leipzig. Doch von Kraftlosigkeit und Schwäche kann bei den zwei jetzt vom „Lotos String Quartet“ einerseits feierlich, andererseits lebhaft interpretierten Sätzen keine Rede sein.

Überliefert sind von Mozart fünf Streichquintette, in denen die Viola jeweils verdoppelt ist. So auch in dem g-Moll-Quintett KV 516 aus dem Jahr 1787, dem „nächtlichen Gegenentwurf“ zu dem im selben Jahr komponierten Streichquintett C-Dur KV 515. In ihm werden „emotionale Spannungen und Abgründe menschlichen Ausdrucks“ transparent gemacht, während motivisch-thematische Ansprüche eher in den Hintergrund treten und weniger auffallen. In Ötisheim war nun eine weitgehend unbekannte Version dieser Mozart-Komposition zu hören, nämlich eine Bearbeitung für Oboe und Streichquartett. Diese stammt von David Walter, bei dem der 1989 im elsässischen Mulhouse geborene, mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnete Philippe Tondre am Conservatoire national supérieur de musique in Paris studiert und den Oboe Award und den Master für Musikperformance erhalten hat. Seit zwei Jahren ist er Professor für Oboe an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken. Ohne die meisterhafte Leistung des Lotos String Quartet schmälern zu wollen, muss doch festgehalten werden, dass bei der Aufführung des etwas mehr als eine halbe Stunde dauernden Werks Philippe Tondre mit seinem in jeder Beziehung vollendeten, virtuosen Spiel auf der Oboe dominierte. So ersetzte er die ursprünglich vom Komponisten vorgesehene zweite Viola nicht nur in einer fulminanten Art und Weise, als hätte Mozart diese Arbeit so geschrieben, sondern er zeigte auch, welche geradezu himmlischen und doch zugleich erdverbundenen Töne man seinem Instrument entlocken kann, sodass mit ihm dem ursprünglichen Streichquintett eine neue Dimension erschlossen und für den Hörer ein neues Klangbild gezeichnet wurden.

Nach der Pause spielte das Lotos String Quartet das vermutlich 1838 entstandene, dem Kronprinzen von Schweden gewidmete Streichquartett D-Dur opus 44 Nummer 1 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Dabei dominiert die erste Violine dieses vom gesamten Ensemble in gewohnt meisterlicher Art interpretierte, mit einem spielfreudigen Satz kraftvoll endende Werk, das der Komponist wohl dem Violinvirtuosen Ferdinand David, einem der Großen seines Fachs im 19. Jahrhundert, zugedacht hatte, der dazu selbst auch Komponist war. Als Zugabe brachten die fünf Künstler eine heitere Arbeit von Johann Christian Bach zu Gehör.

(Mühlacker Tagblatt vom 23.11.2017, Text: Dieter Schnabel, Foto: Fotomoment)